Gerade las ich einen Homepage-Artikel einer niederländischen Schülerin, die an meiner Schule hospitiert hatte:
“Zij vonden het heel vreemd dat wij onze mobiele telefoon op school mochten gebruiken. Zij mochten dat zelfs niet in de pauzes.”
“Ze werken daar nog met krijtborden.”
Leider spiegelt das eine Wirklichkeit in deutschen Schulen wider, die noch recht weit verbreitet ist: Mobiltelefone, die weder im Unterricht noch in den Pausen genutzt werden dürfen, und Kreidetafeln statt interaktiven Whiteboards, Beamer-Rechner-Kombinationen oder Tablets.
Die Ursachen für diese langsame Entwicklung sind vielfältig und an anderen Stellen bereits ausführlich diskutiert. Doch inzwischen tut sich etwas. Die KMK hat wie das Land NRW ein Leitbild für die digitale Bildung1 aufgestellt, das Programm „Gute Schule 2020“ bringt in NRW Geld in die Schulen, auch für die Digitalisierung. Und auch meine Schule hat die Zeichen der Zeit erkannt. Auf Grundlage des Medienpass NRW entwickeln wir ein Medienkonzept, schrittweise erweitern ein Breitband-Glasfaseranschluss, neue LAN-Verkabelungen, Beamer-Rechner-Kombis in allen Räumen und flächendeckendes WLAN die technischen Seite.
Die Kollegen/-innen mitnehmen
Bleibt die menschliche Seite: Viele Kollegen/-innen, unabhängig vom Alter, haben mit digitalen Medien in der Schule keine Erfahrungen. Oft beschränkt es sich auf das Anschauen eines Videos über das Internet, die Schüler/-innen recherchieren lassen, Referate mit PowerPoint vortragen. Die extrem vielfältigen Möglichkeiten, die digitalen Medien für besseres Lernen und auch einfacheres Arbeiten bieten, bleiben ungenutzt.
Aber wie bekommt man die Kollegen/-innen dazu, sich auf die neuen Möglichkeiten einzulassen? Wie bringt man ihnen diese näher und vermittelt sie im stressigen Alltagsgeschäft? Noch haben wir an meiner Schule kein umfassendes, nachhaltiges Konzept zur Fortbildung des Kollegiums erarbeitet. Sicher werden dazu SchiLF2-Tage gehören. Welche weiteren Möglichkeiten denkbar sind, ist noch zu klären. Auf jeden Fall wird der Weg lang sein …
Da jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt, wollte ich jedoch nicht auf ein Fortbildungskonzept warten, sondern biete seit dem Ende des letzten Schuljahres kurze, in der Regel etwa einstündige Mikrofortbildungen an. Diese finden unmittelbar im Anschluss an den Unterricht um 15 Uhr statt, so dass die Kollegen/-innen nur wenig zusätzliche Zeit aufwänden müssen. Anmeldungen erfolgen analog über einen Aushang, spontane Teilnahmen sind aber möglich. Die Teilnahme ist grundsätzlich freiwillig. Neben einem kurzen Input steht das Ausprobieren an erster Stelle. Die durchgeführten und in Planung befindlichen Themen3 sind:
- Gemeinsam zeitgleich ein Dokument/Arbeitsblatt bearbeiten (Kollaboration/Kooperation)
- Noteneingabe am PC (jedes Quartal treten die gleichen Probleme auf)
- Unser Schulwiki bei der ZUM
- LearningApps
- GoogleDrive & Etherpads
- Umgang mit Bild & Ton
- Wo finde ich gute Materialien?
- Sicherung von Unterrichtsergebnissen (Kahoot, Quizzes etc.)
Bisher wurde die Hälfte der Themen „abgearbeitet“. Die Teilnehmerzahlen stellen mich bisher nicht zufrieden, die Resonanz der Teilnehmer war jedoch immer sehr positiv, so dass ich auf die Mundpropaganda hoffe. Problematisch bleibt es, Kollegen/-innen, die nicht bis 15 Uhr unterrichten, zum Verweilen zu motivieren, um an der Mikrofortbildung teilzunehmen. Die z.B. an einer anderen Schule angebotene „digitale Mittagspause“ wäre eine Alternative, die aber bei mir bisher an den eigenen Ressourcen zu dieser Zeit scheiterte.
Wichtigste Erkenntnisse aus den bisherigen Terminen sind zum einen, dass der praktische Anteil und die Nutzbarkeit für den eigenen Unterricht Vorrang haben müssen, zum anderen, dass es viel Spaß macht, die engagierten Kollegen/-innen mit einem gerüttelten Maß an Geduld an die „neuen“ Medien heranzuführen.
Die positiven Rückmeldungen und erste, kleine Erfolge lohnen den Aufwand! Ich mache auf jeden Fall weiter.
1 Zum Begriff „digitale Bildung“ siehe den Artikel von Jöran Muuß-Merholz
2 Abkürzung für „Schulinterne Lehrer-Fortbildung“
3 Im Vorfeld habe ich im Kollegium mögliche Interessen über ein GoogleFormular abgefragt: https://goo.gl/forms/Tb3lBceHBscOWxS63
Tobias Raue
6. Januar 2017 — 16:07
Sehr gute Idee, Lars, insbesondere die Abfrage über das Formular finde ich nachahmenswert.
Das zeitliche Problem stellt sich mir auch. Daher habe ich auch schon einmal (kurz) über eine Veranstaltung „Wissen vor 8“ nachgedacht – für die frühen Vögel im Kollegium.
lars.reitze
6. Januar 2017 — 17:01
„Wissen vor 8“ klingt gut – ist aber nicht so mein Ding. Nach 22 Uhr ginge da eher… 😉
Nina Toller
6. Januar 2017 — 16:12
Hallo Lars!
Schöner, inspirierender Artikel! Ich denke, du bist da auf dem richtigen Weg! Wahrscheinlich ist das der richtige Ansatz, dass man vor allem auf interne Fortbildungen untereinander setzt. Auch die Idee der „Nano-Fortbildung“ von Andre Scherl (https://twitter.com/AndreScherl/status/817332980087721985) finde ich gut. So etwas geht bei uns nur unzufriedenstellend zwischen Tür und Angel.
Eine letzte Frage habe ich noch: machst du es aus Spaß an der Freude, aus Überzeugung in der Freizeit oder wird deine Arbeit irgendwie „wertgeschätzt“ (ich wollte hier nicht direkt die „Entlastung“ ansprechen 😉 )
Liebe Grüße
Nina
lars.reitze
6. Januar 2017 — 17:07
In erster Linie biete ich die Mikrofortbildungen aus Überzeugung und Spaß an. Speziell dafür gibt es zur Zeit keine „Entlastung“, wohl aber Wertschätzung. Und die zahlt sich im Endeffekt dann wieder an anderer Stelle aus.