Ein Lehrstück über die Probleme mit „Fake News“ im digitalen Zeitalter

Sturmwarnung in Nordrhein-Westfalen. Im Radio wird berichtet, dass erste Schulen geschlossen bleiben. Es gibt Empfehlungen, möglichst zu Hause zu bleiben. Aber eine offizielle Meldung aus dem Bildungsministerium gibt es nicht, es wird auf die vagen Regelungen bei extremen Wetterverhältnissen verwiesen. Und nun?

Endlich scheint es Klarheit zu geben! Über WhatsApp wird ein Screenshot der Schulhomepage verbreitet. Dort sieht man die Meldung:

Unwetterwarnung und Schulbefreiung am 18.01.2018
Am Donnerstag, dem 18.01.2018 hat die Sekundarstufe 1 Schulfrei aufgrund des angekündigten Untwetters mehr…

Daraufhin bleiben viele Schüler/-innen zu Hause. Andere rufen vorsichtshalber in der Schule an … Bravo!

Denn tatsächlich ist die Meldung falsch. Ein technisch versierter Schüler hat sich einen Scherz erlaubt. Er hat in seinem Browser den Quelltext der Homepage bearbeitet, den Bildschirm fotografiert und anschließend in seine WhatsApp-Klassengruppe gepostet – sogar mit dem Hinweis, dass es sich um einen Scherz handelt und das Bild nicht verbreitet werden solle.

Aber es kommt, wie es immer in solchen Fällen kommt. Natürlich wird das Bild weitergeleitet und geht nun viral, d.h. es verbreitet sich in kurzer Zeit1 unter den Schülern/-innen und auch bei den Eltern. Und viele sind gern bereit, die Nachricht zu glauben.

Dabei wäre es so einfach gewesen, die Meldung als „Fake News“ zu erkennen. Zunächst hätte ein Blick auf die Homepage genügt. Dort war diese Meldung nämlich nicht zu finden. Aber auch ohne diese Möglichkeit, ist die Information nicht glaubhaft: Die Information ist sehr kurz gehalten, der Begriff „Schulbefreiung“ ist in dem Zusammenhang unüblich, die Rechtschreibung ist an mehreren Stellen fehlerhaft. Und warum sollte nur die „Sekundarstufe 1“ (sic!) frei haben, schließlich geht es doch um eine Gefährdung der Gesundheit?
Darüber hinaus, sicher nicht auf den ersten Blick erkennbar, passen weder die Formulierung noch die Platzierung an dieser Stelle der Homepage ohne Warnsymbol zum sonst üblichen Erscheinungsbild. In der Regel werden solch wichtigen Meldungen zusätzlich über die anderen offiziellen Informationskanäle (Twitter, Facebook) publiziert. Wenn sie hier fehlen, sollte das ebenfalls nachdenklich machen.

Warum wird eine solche Meldung trotzdem als wahr akzeptiert? Auf der einen Seite liegt das sicher daran, dass der Inhalt plausibel erscheint. Die Schüler/-innen sehen zudem ihren Vorteil und sind gern bereit, an die unerwartete Freizeit zu glauben. Auf der anderen Seite kommen Falschmeldungen im Schulumfeld noch selten vor. Wie aber auch in anderen Zusammenhängen sollte man in Zukunft besondere Vorsicht walten lassen. „Den Wahrheitsgehalt im Netz zu prüfen scheint nicht nur wegen der fortschreitenden Technik immer komplexer. Personen übernehmen aus unterschiedlichen Motivationen Scheinidentitäten oder bilden künstliche Konstrukte.“2 Die Folgen könnten in manchen Fällen durchaus gravierender als ein ausgefallener Schultag sein.


1 Auch früher verbreiteten sich Gerüchte schnell. Im digitalen Zeitalter hat das Tempo allerdings rasant zugenommen.
2 Dejan Mihajlovic, Blogbeitrag „Digital souveräner und mündiger mit X-Ray-Goggles“